Montags bei Monica – Clare Pooley | Eine Rezension

Hinweis: Ich habe das Buch selbst gekauft. Es handelt sich um eine persönliche Lektüreempfehlung ohne wirtschaftliche Verbindung zur Autor*in oder zum Verlag. Aus rechtlichen Gründen kennzeichne ich den Beitrag dennoch als Werbung.

Ein feinfühliger Roman über Einsamkeit, Ehrlichkeit und die heilende Kraft der Gemeinschaft

Es gibt Bücher, die schleichen sich leise ins Leben – fast unbemerkt – und verweilen dann lange in Gedanken und Herz. Montags bei Monica von Clare Pooley gehört genau zu diesen Büchern. Anfangs könnte man vermuten, hier lediglich charmante Unterhaltung für ruhige Stunden zu finden. Doch Seite um Seite entblättert sich unter der angenehm leichtfüßigen Erzählweise eine tiefgründige Geschichte, die geschickt und berührend unsere Sehnsucht nach echter Verbindung und aufrichtiger Gemeinschaft thematisiert. Dabei zeigt Pooley, dass aus scheinbar beiläufigen Begegnungen die tiefsten Freundschaften erwachsen können – vorausgesetzt, man traut sich, ehrlich zu sein.

Literarische Qualität

Stilistisch überzeugt Montags bei Monica als weit mehr als bloße Unterhaltungsliteratur. Pooley erzählt klar und einnehmend, mit einer warmherzigen Stimme und feinem Humor, der die ernsten Untertöne des Romans angenehm ausbalanciert. Die Sprache ist zugänglich und doch bildhaft – immer wieder finden sich treffende Metaphern und sprachliche Details, die im Gedächtnis bleiben. So wird Julians innere Einsamkeit in einem eindringlichen Bild greifbar gemacht: „Julian schlurfte in Einsamkeit und Alleinsein herum wie in einem Paar alter, schlecht sitzender Schuhe. Aus reiner Gewohnheit eigentlich – in gewisser Hinsicht waren sie sogar ganz bequem. Aber im Laufe der Zeit hatten sie unmerklich begonnen, ihn zu zwingen, hatten ihm Schwielen und Hühneraugen beschert, die er nun nicht wieder loswurde.“​ Solche Passagen zeigen Pooleys Talent, Gefühle durch anschauliche Sprache spürbar zu machen. Gleichzeitig blitzt immer wieder ein trockener Witz auf – etwa wenn Julian bemerkt, seine vernachlässigte Stimme habe sich „zum Sterben zusammengeringelt … wie ein Tausendfüßler“​, der die Lektüre trotz schwerer Themen leicht und lebendig hält.

Auch erzähltechnisch ist der Roman kunstvoll gebaut. Die Geschichte entfaltet sich aus wechselnden Perspektiven der sechs Hauptfiguren, die alle ihre eigenen Kapitel und Stimmen bekommen. Was als lose Aneinanderreihung persönlicher Geständnisse in einem gefundenen Notizheft beginnt, fügt sich nach und nach zu einem stimmigen Ganzen. Jede neue Figur stößt genau im richtigen Moment dazu und bringt frischen Wind sowie neue Konflikte mit – ob die ordnungsliebende Café-Besitzerin Monica, der charmante aber vom Leben gezeichnete Hazard oder die scheinbar perfekte Instagram-Mutter Alice. Pooley gelingt es, die Handlungsstränge der Einzelnen geschickt zu verweben, sodass am Ende ein dichtes Geflecht von Begegnungen entsteht. Der Roman hat fast episodenhaften Charakter, doch die Episoden greifen ineinander und treiben gemeinsam die Handlung voran. Die Kapitel lesen sich kurzweilig und mit einem gewissen Sog – nicht umsonst wurde das Buch vom Globe and Mail als „eine Art 'Tatsächlich ... Liebe' in Romanform und ein wahres Wundermittel gegen das Gefühl der Einsamkeit in unserer Welt“ bezeichnet​. Trotz der Vielzahl an Charakteren verliert die Erzählung nie den roten Faden. Am Ende fügt sich alles schlüssig zusammen. Sprachstil, Figuren und Plot ergeben eine harmonische Einheit, die literarisch zwar gefällig, aber niemals banal ist.

Psychologische Tiefe

Besonders berührend ist die seelische Tiefenschärfe, mit der Pooley ihre Figuren zeichnet. Jede der sechs Personen trägt ein Päckchen: Julian, der 79-jährige Künstler, schreibt als Erster ehrlich nieder, was er niemandem zu sagen wagt: „ICH BIN EINSAM. Oft spreche ich tagelang mit keiner Menschenseele.“​ Diese schonungslose Ehrlichkeit gleich zu Beginn des Romans setzt den Ton: Hier werden Masken fallen gelassen. Monica, die Café-Inhaberin, wirkt nach außen stark und organisiert, kämpft innerlich jedoch mit unerfüllter Sehnsucht nach Nähe und dem Druck, immer perfekt zu sein. Hazard, ein einst erfolgreicher Banker, ringt mit seiner Drogensucht und Scham, während Alice hinter ihrem glitzernden Social-Media-Leben an den Herausforderungen des Mutterseins fast zerbricht. Pooley lässt uns tief in die Gedanken und Gefühle all dieser Charaktere blicken – ihre Ängste, ihre Trauer, ihre Hoffnungen. Dabei scheut sie sich nicht, auch unangenehme Emotionen auszuleuchten: Scham, Selbstzweifel, Neid oder die Furcht vor dem Scheitern werden greifbar. Die Figuren dürfen Fehler machen und Schwächen zeigen. Gerade das verleiht ihnen psychologische Glaubwürdigkeit und Tiefe.

Auffällig ist, wie sich im Laufe der Handlung jede*r von ihnen weiterentwickelt. Die kleinen Geständnisse im Notizbuch wirken wie Katalysatoren: Indem Julian, Monica, Hazard und die anderen ihre Wahrheit aufschreiben, setzen sie je einen Prozess der Veränderung in Gang. Nach und nach öffnen sie sich nicht nur auf dem Papier, sondern auch füreinander. Diese Veränderungen geschehen leise und plausibel – kein Charakter wandelt sich über Nacht zum vollkommenen Glücksmenschen. Stattdessen erleben wir behutsame Fortschritte: Julian fasst neuen Lebensmut und lässt andere wieder an sich heran; Monica lernt, Hilfe anzunehmen und ihr Glück nicht krampfhaft planen zu wollen; Hazard nimmt den Kampf gegen seine Sucht ehrlich auf, mit Rückschlägen, aber auch mit echter Unterstützung durch neue Freunde. Gerade diese emotionalen Nuancen machen den Reiz des Romans aus. Man spürt in vielen Szenen die Unsicherheit der Figuren: etwa wenn Monica zögernd ein erstes Gruppentreffen in ihrem Café organisiert oder Hazard seine Suchtbeichte mit zitternder Hand ins Heft schreibt. Solche Momente sind einfühlsam beschrieben – man fiebert und fühlt mit jeder Figur. Und wenn es am Ende zu bewegenden Begegnungen und Versöhnungen kommt, wirkt das verdient und echt. Die psychologische Entwicklung der Charaktere verläuft ohne Kitsch, dafür mit viel Empathie und Verständnis für menschliche Unvollkommenheit.

Gesellschaftliche Relevanz

Obwohl Montags bei Monica primär eine persönliche Geschichte einiger weniger Menschen erzählt, schwingt darin viel Allgemeingültiges über unsere Gesellschaft mit. Das zentrale Thema Einsamkeit hat enorme zeitgenössische Relevanz: In einer Welt, die vernetzter ist als je zuvor, fühlen sich doch so viele allein. Pooley greift dieses Paradox behutsam auf, indem sie zeigt, wie isoliert Menschen selbst in einer Metropole wie London leben können – bis jemand den Mut hat, ehrlich Kontakt zu suchen. Sechs einsame Herzen auf der Suche nach Glück treffen hier aufeinander, und das ist kein Zufall, sondern Symptom unserer Zeit. Tatsächlich liest sich der Roman wie ein Gegenentwurf zur anonymen Großstadt: Fremde Menschen unterschiedlichen Alters und Backgrounds – vom wohlhabenden Witwer über die karrierebewusste Singlefrau bis zum entwurzelten Weltenbummler – finden hier zueinander und bilden eine improbable Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft vermittelt das Gefühl, dass niemand wirklich alleine sein müsste, wenn wir mehr Anteil an unseren Mitmenschen nähmen. Der Roman feiert damit Werte wie Zusammenhalt und Mitmenschlichkeit und wirkt beinahe wie ein Heilmittel gegen das Gefühl der Isolation, wie es der Globe and Mail bereits hervorhob.

Auch Themen wie Diversität und Offenheit spielen eine Rolle. Die Figuren könnten auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein – in Alter, sozialer Schicht, Herkunft und Lebensstil. Genau darin liegt die gesellschaftliche Aussage: Begegnung und Verständnis sind möglich, trotz oder gerade wegen unserer Verschiedenheit. Indem Montags bei Monica etwa die Kluft zwischen Jung und Alt überbrückt (Julian findet in der jungen Generation neue Freunde und Verbündete) oder die Scheinwelt sozialer Medien entlarvt (Alice’ perfekte Online-Fassade bröckelt und macht echtem Austausch Platz), werden relevante Fragen unserer Zeit verhandelt. Wie viel zeigen wir von unserem wahren Ich? Wie gehen wir mit persönlichen Krisen um, wenn die Gesellschaft ständig Erfolg und Glück zur Schau stellt? Pooley gibt darauf keine belehrenden Antworten, aber sie liefert einen hoffnungsvollen Beitrag zur Debatte: Authentizität und Ehrlichkeit, so die implizite Botschaft, sind ansteckend. Wenn einer den ersten Schritt tut (in diesem Fall Julian mit seinem Heft Projekt Aufrichtigkeit), kann daraus eine Bewegung entstehen, die über einzelne Schicksale hinausweist. Insofern ist der Roman nicht nur unterhaltsam, sondern auch ein kleines gesellschaftliches Statement: Er erinnert daran, dass Empathie und echte Gespräche Brücken zwischen einsamen Inseln schlagen können. Und er macht Mut, solche Brücken im echten Leben zu bauen.

Persönliche Wirkung

Manche Passagen haben mich schmunzeln lassen, andere haben mich unerwartet tief getroffen. Und immer wieder war ich gerührt, getröstet, sogar ein Stück weit inspiriert. Montags bei Monica hat mich dazu gebracht, über meine eigenen Begegnungen nachzudenken: Wie oft gehen wir achtlos an unseren Mitmenschen vorbei? Könnte hinter der stillen Nachbarin oder dem mürrischen Kollegen eine Geschichte stecken, die erzählt werden will? Der Roman stellt Fragen, die jeder von uns kennt: Wie ehrlich sind wir zu uns selbst und unseren Mitmenschen? Kennen wir die Menschen, die tagtäglich um uns herum leben? Und was passiert, wenn wir die Masken fallen lassen und einander unsere wahren Gefühle anvertrauen? Während der Lektüre habe ich mich diesen Fragen gestellt – und so wurde das Buch zu mehr als nur einer schönen Geschichte, nämlich zu einem kleinen Denkanstoß für meinen eigenen Alltag. Die ehrlichsten Bücher sind jene, die uns erlauben, uns selbst in ihnen zu spiegeln. Montags bei Monica gelingt das, indem es uns zeigt, dass in jeder zufälligen Begegnung die Chance auf Freundschaft und Verständnis liegen kann.

Dieser Roman ist ein Beispiel dafür, wie kraftvoll authentisches Erzählen sein kann, selbst im Genre der Unterhaltungslektüre. Clare Pooley verdichtet scheinbar gewöhnliche Alltagserfahrungen – einen vergessenen Notizblock, einen Plausch im Café – zu einer Geschichte mit echtem Tiefgang. Ohne große Effekthascherei, dafür mit literarischem Feingefühl, hält sie Leser*innen bei der Stange. Ein ganzes Ensemble von Figuren wird harmonisch zum Leben erweckt. Pooley gelingt etwas Seltenes: Sie schenkt jeder ihrer sechs Hauptfiguren eine eigene Stimme und Entwicklung und führt am Ende doch alle Fäden mühelos zusammen. Das Zusammenspiel von Humor und Ernst, von Leichtigkeit und Bedeutung ist bemerkenswert gut austariert – man lacht an der einen Stelle, nur um sich wenige Seiten später zu fragen, warum einen plötzlich ein Kloß im Hals steckt. Am Ende bleibt ein Gefühl wohliger Wärme und Zuversicht. Dieses Buch entlässt einen mit dem Eindruck, dass Ehrlichkeit und Mitmenschlichkeit tatsächlich Wunder bewirken können. Es ist ein Roman, der nicht nur seine Protagonist*innen, sondern auch die Leser*innen bereichert und mit einem Lächeln zurücklässt.

 

Quellenhinweis

Diese Rezension basiert auf der Lektüre des Romans Montags bei Monica von Clare Pooley (deutsche Übersetzung von Stefanie Retterbush) sowie auf ergänzenden Informationen aus Presseartikeln und Rezensionen – u. a. Focus Online, dem kanadischen Globe and Mail, LovelyBooks, Penguin.de und Vanessas Literaturblog – die zur Einordnung von literarischer Qualität, Thematik und Wirkung des Buches herangezogen wurden.

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