Joint Adventure: Eine Reise in die Welt des Cannabis – Helge Timmerberg | Eine Rezension
Hinweis: Ich habe das Buch selbst gekauft. Es handelt
sich um eine persönliche Lektüreempfehlung ohne wirtschaftliche Verbindung zur
Autor*in oder zum Verlag. Aus rechtlichen Gründen kennzeichne ich den Beitrag
dennoch als Werbung.
Als ich Joint Adventure: Eine Reise in die Welt des
Cannabis von Helge Timmerberg aufschlug, war ich voller Vorfreude. Skepsis?
Keine Spur. Ich wusste genau, was mich erwartete – schließlich habe ich alles
gelesen, was Timmerberg je veröffentlicht hat. Er ist nicht nur mein
Lieblingsautor, sondern auch ein Erzähler, dessen Stil und Haltung mich seit
Jahren begleiten. Seine Mischung aus Lebenslust, Selbstironie und
philosophischer Tiefe trifft etwas in mir, das ich bei kaum einem anderen
Schriftsteller finde.
Dass er das Thema Cannabis aufgreift, wunderte mich kein
bisschen. Timmerbergs Liebe zu Haschisch und Marihuana ist längst Teil seiner
Legende – genauso wie seine Reisen durch die entlegensten Winkel der Welt,
seine Begegnungen mit Schamanen, Königen und Lebenskünstlern. Vielmehr freute
ich mich darauf, zu erfahren, wie er dieses Thema literarisch umsetzen würde:
würde es ein wilder Trip, ein kluger Kommentar zur Legalisierungsdebatte oder
wieder eine dieser lakonischen, leuchtenden Reiseerzählungen werden, die mich
noch lange begleiten?
Literarische Qualität: Rausch der Sprache und radikale Subjektivität
Schon nach wenigen Seiten wusste ich: Dies wird keine
nüchterne Abhandlung, sondern eine Einladung zum Miterleben. Timmerberg
erzählt, wie er lebt: direkt, lässig und ein wenig verrückt. Sein Stil ist so
ungekünstelt, dass man sich fühlt, als säße man mit ihm in einer verrauchten
Kneipe. Wie er selbst einmal in einem Interview mit Spiegel Online sagte,
wolle er Geschichten erzählen, „wie in der Küche“. Diese radikale
Subjektivität, die auch der Deutschlandfunk in seiner Rezension hervorhebt,
verleiht dem Buch einen unverwechselbaren Ton.
Die literarische Qualität liegt weniger in einer strengen
Dramaturgie, sondern in der Leichtigkeit und Stilistik – einem Mix aus
Reportage, Memoir und Roadmovie, der einen großen Spaß beim Lesen entfacht. Joint
Adventure ist wie ein sehr persönliches Logbuch eines lebenslangen Kiffers.
Genau das macht es so interessant: Die Erzählweise ist bunt, spielerisch und
oft „berauscht von den Möglichkeiten der Sprache“, wie Die Rheinpfalz
treffend formulierte. Ich ertappte mich beim Lesen mehrmals dabei, ein Grinsen
im Gesicht zu haben ob der Wortspiele und lakonischen Seitenhiebe. Timmerberg schafft
es, selbst banale Situationen so zu schildern, dass sie funken. Der permanente
Blick auf das Absurde des Lebens machen das Buch zu einer Feier des Erzählens.
Psychologische Tiefe: Zwischen Rausch und Reflexion
Timmerberg blickt auf fast fünf Jahrzehnte Kifferkarriere
zurück – und er tut dies mit einer gnadenlosen Offenheit. Gleich zu Beginn
zitiert er ein persisches Sprichwort: „Ein Körnchen Haschisch macht dich zum
Weisen, das Körnchen zu viel zum Esel.“ Dieses Bild zieht sich wie ein
Leitmotiv durch das Buch.
Timmerberg berichtet ausführlich von den positiven Effekten
– den kreativen Funken, die der richtige Zug entfachen kann, oder der
Gelassenheit, die ein Joint ihm in stressigen Zeiten schenkt. Gleichzeitig
verschweigt er nicht, dass Cannabis auch Schattenseiten hat: Paranoia,
Antriebslosigkeit, Verlust der Realität. Dennoch bleibt die Lust am
Experimentieren, auf der Suche nach dem „richtigen Maß“. Besonders
eindrucksvoll fand ich eine Szene, in der er auf Mallorca einen überdosierten
Haschkeks isst und in einem Kloster beinahe eine Jesus-Vision erlebt – ein
Moment, in dem der schmale Grat zwischen Erleuchtung und Selbstverlust spürbar
wird. Timmerberg reflektiert sein eigenes Konsumverhalten stets kritisch,
beschreibt, wie er nach intensiven Kifferphasen immer wieder Pausen einlegt. Diese
Ehrlichkeit verleiht dem Buch eine Tiefe, die weit über verklärte
Rauschgeschichten hinausgeht; es ist eine Charakterstudie eines Mannes im
dauernden Dialog mit sich selbst und seiner Droge.
Gesellschaftliche Relevanz: Kiffen zwischen Kultur und Politik
Natürlich stellt sich bei einem Buch über Cannabis auch die
gesellschaftliche Frage. Timmerberg beantwortet sie nicht mit Thesen, sondern
mit Geschichten. Seine Reisen führen ihn z.B. nach Malta, Thailand, Kalifornien
oder Marokko – Orte, an denen Cannabis unterschiedlich gehandhabt wird. In
Malta etwa wird Cannabis zwar toleriert, aber der Zugang bleibt kompliziert; in
Kalifornien dagegen ist Marihuana längst Teil eines riesigen Wirtschaftszweigs.
Solche Kontraste machen deutlich, welche Bandbreite an Möglichkeiten zwischen
Prohibition und Kommerzialisierung existiert. Timmerberg positioniert sich
dabei klar als Befürworter der Legalisierung. „Was ich sagen will: Eine
Politik, die die Mitte der Gesellschaft kriminalisiert, hat sie nicht alle“,
erklärt er pointiert und verweist darauf, dass Verbote den Konsum nie
verhindern konnten. Doch zugleich warnt er davor, Cannabis blind zu glorifizieren
– zu gut kennt er die Droge, um sie naiv zu feiern.
Statt zu moralisieren, öffnet er Räume zum Nachdenken. Und
genau darin liegt für mich die gesellschaftliche Relevanz des Buches: Es zeigt,
wie absurd und widersprüchlich unsere Drogenpolitik oft ist, ohne in
ideologische Grabenkämpfe zu verfallen.
Persönliche Wirkung
Joint Adventure ist ein Buch, das wirkt – subtil,
aber nachhaltig. Der Einstieg ist zugegebenermaßen gemächlich; Timmerberg
rekapituliert zunächst die Kulturgeschichte des Hanfs und seine eigenen Anfänge
in den 70ern. Doch je weiter ich las, desto mehr verfiel ich dem Sog dieser
Erzählung.
Helge Timmerberg gelingt es, seinen ganz eigenen, unverwechselbaren Stil zu bewahren: lakonisch, humorvoll, tiefgründig.Mich hat dieses Buch beschwingt und nachdenklich zugleich zurückgelassen. Ich fühlte mich am Ende, als hätte ich einen alten Kumpel auf einer langen Reise begleitet – einen Kumpel, der viel erlebt hat, viel gelacht und auch viel verloren, aber nie den Mut, die Lust und die Liebe zum Leben. Ein Kritiker der Rheinpfalz schrieb, „Timmerberg vertickt Geschichten wie Drogen“ – und ja, sie machen süchtig. Diese Mischung aus Abenteuerlust, Reflexionsfähigkeit und Unabhängigkeit wirkt ansteckend. Auch für Menschen, die selbst nichts mit Cannabis am Hut haben, ist dieses Buch eine Horizonterweiterung. Es öffnet einen anderen Blick auf eine Substanz, die in unserer Gesellschaft lange stigmatisiert wurde – und auf die Menschen, die sich in diesem Spannungsfeld bewegen.
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